(28.11.2019)
Bayerische Logistikverbände LBS und LBT appellieren an Bundesverkehrsminister Scheuer und die Bayerische Staatsregierung, rechtlich gegen Österreich vorzugehen.
Die zögerliche Entwicklung zu einer Lösung des Konflikts mit Tirol beim Alpentransit wird demnächst wieder einmal neue Konsequenzen haben: Die nächste Stufe des Sektoralen Fahrverbots zwischen Kufstein und dem Brenner wird sich direkt auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien mit einem Volumen von bisher jährlich 25 Milliarden Euro niederschlagen.
Derzeit ist kein Abweichen Tirols von seiner Ankündigung erkennbar, dass ab 1. Januar 2020 ins-gesamt 22 Güterarten praktisch nicht mehr auf der Straße durch Tirol transportiert werden dürfen, darunter unter anderem Getreide, Papier und Pappe, Zement, Rohre und Hohlprofile, Marmor und keramische Fliesen, Altpapier, Fahrzeuge und Stahl. Dies sind alles – neben weiteren Warengruppen – Güter, die von dem sogenannten Sektoralen Fahrverbot erfasst sind, weil sie nach Ansicht der Politik in Innsbruck „bahnaffin“ sind. Nach Tiroler Auffassung sollen sie auf der mit Abstand wichtigsten Transportroute zwischen Bayern, Tirol und Italien darum auf der Schiene befördert werden.
Dieses Vorgehen Tirols ist nach Einschätzung der beiden Verbände EU-rechtswidrig, weil das letzte Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Österreich nur deshalb beigelegt wurde, weil sich Tirol dauerhaft verpflichtet hat, LKW mit der besten Schadstoffklasse Euro VI von dem Fahrverbot auszunehmen. Das hat dazu geführt, dass auf der Brenner-Route heute die sauberste Lkw-Flotte Europas unterwegs ist. Diese Ausnahme wird von Tirol nunmehr insoweit zurückgenommen, als nur noch Euro VI-LKW mit Zulassungsdatum nach dem 31.08.2018 von dem Fahrverbot ausgenommen sein sollen.
Dies trifft die Logistikwirtschaft unverhältnismäßig hart, da die Fuhrparks der Unternehmen bei weitem noch nicht im dann erforderlichen Umfang über solche Fahrzeuge verfügen werden. „Die zu kurze Vorlaufzeit für eine Umstellung berücksichtigt weder den Umstand, dass Euro VI-Fahrzeuge, die vor dem Stichtag erworben wurden, so einfach nicht ersetzt werden können. Sie bietet auch keine zuverlässige Garantie, dass die neue Regelung nicht über kurz oder lang ebenfalls wieder der kreativen Tiroler Anti-Transit-Politik geopfert wird“, kritisieren LBS und LBT.
Eine Ankündigung aus Tirol, als Ersatz die Rollende Landstraße zu ertüchtigen, hält bisher einer kritischen Prüfung nicht Stand. So soll die gegenwärtige Kapazität von knapp 200.000 LKW pro Jahr bis zum 1.4.2020 (!) auf bis zu 400.000 LKW und bis zum Jahr 2021 auf 450.000 LKW gesteigert werden. Leider fehlt bis jetzt jede halbwegs konkrete Perspektive, wie und vor allem mit welchem Zugmaterial und welchen zusätzlichen Trassen Tirol dieses Aufkommen bewältigen will. Die genannte Menge bedeutet umgerechnet eine Zahl von ca. 40 Zügen täglich, die in den Fahrplan eingespeist werden müssten. Woher das rollende Material kommen soll, ist dabei ebenso ungeklärt wie die nötigen Verlade-Kapazitäten bzw. Terminals.
Im Übrigen, so LBS und LBT, werden LKW, die den RoLa-Terminal in Wörgl anfahren wollen, nicht bevorzugt behandelt. Sie stecken daher inzwischen an vielen Tagen in der ebenfalls von Tirol angeordneten Blockabfertigung fest und erreichen ihre gebuchten Zugplätze in Wörgl nicht mehr.
Die beiden Verbände wiederholen deshalb nochmals ihre bereits im Sommer an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und an den bayerischen Verkehrsminister Dr. Hans Reichhart gerichtete dringende Bitte, in Brüssel auf die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich in Verbindung mit der Verhängung einer einstweiligen Anordnung hinzuwirken.
„Sollte die EU-Kommission hierzu nicht bereit sein, fordern wir die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung auf, ein nationales Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich gegen das sektorale Fahrverbot einzuleiten und dabei eine einstweilige Anordnung zu erwirken“, so die Präsidenten der bayerischen Verbände Heinrich Doll und Hans Ach.