(München, 27. Juni 2024)

Die Grenze des Zumutbaren ist erreicht, was den Zustand der verschiedenen Verkehrswege in Deutschland angeht. „Die Hinhaltetaktik und Schönrednerei bei der Wiederbelebung der deutschen Verkehrsinfrastruktur ist schon lange nicht mehr akzeptabel. Die immensen Defizite, die hier bestehen, gefährden den Wirtschaftsstandort dauerhaft – ganz zu schweigen, dass unter den aktuellen Vorzeichen sowohl der Titel des Exportweltmeisters als auch die damit verbundenen Qualitätsmerkmale weit hinterm Horizont verschwunden bleiben“, sagt Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V. Sie knüpft damit argumentativ an den dieser Tage veröffentlichten gemeinsamen „Brücken-Notruf“ mehrerer Spitzenverbände sowie an die kritischen Anmerkungen von BDI-Präsident Siegfried Russwurm beim „Tag der Industrie“ an.

Den kritischen Blick des LBS prägt darüber hinaus die mittlerweile verlorene Spitzenposition als Logistikweltmeister: Im Logistics Performance Index (LPI) der Weltbank ist Deutschland zwischen 2018 und 2023 auf Platz 3 abgerutscht. Ein wichtiges Kriterium im Ranking ist die Verkehrsinfrastruktur. Den deutlichsten Rückgang gab es für Deutschland in den Bereichen Zoll, Grenzkontrollen und Pünktlichkeit. Gemessen werden „unter anderem die strukturellen Faktoren für den Aufbau einer zuverlässigen Lieferkette, wie etwa die Qualität von Logistikdienstleistungen, handels- und transportbezogener Infrastruktur und Grenzkontrollen”.

„Bei den Fernstraßen sticht es jedermann ins Auge, beim Schienennetz ist die Leidensfähigkeit aller Kunden ausgereizt und bei der Binnenschifffahrt sind mehr Hindernisse im Fluss als Schiffe.“ Lehmann setzt mit ihrer Kritik dort an, wo die Diskussion inzwischen auf rechtliche Fragen verengt ist – und die (fehlende) Funktionalität nur noch als Nebeneffekt erscheint. Die Lücken im Netz wirken sich vor allem in der Lebensader der eng vernetzten deutschen Wirtschaft aus: bei den Lieferketten. „Über viele Jahre perfektionierte Abläufe, die eine Schlüsselrolle in der deutschen Wirtschaft spielen, stehen unter permanentem Stress. Sanierungsbedürftige Verkehrswege und eine Mangelwirtschaft bei den Kapazitäten sind zu einem Grundzustand geworden, der nicht nur Unternehmen sondern auch Mitarbeitende belastet“, analysiert Lehmann. „Die Aneinanderreihung von Störungen und Verzögerungen, wie sie unsere Unternehmen jeden Tag beim ordnungsgemäßen Erfüllen ihrer Dienstleistungen ausbremsen, ist zu einer existenziellen Bedrohung für die Branche und ihre Kunden geworden.“

Der aktuelle Sparkurs erweist sich aus Sicht des LBS vor diesem Hintergrund als „Geisterfahrt im Kreisverkehr“. Jedes wirtschaftlich denkende und handelnde Unternehmen wisse, dass man bei Störungen oder Schäden von betrieblichen Anlagen nicht auf gut Glück weitermache, sondern sofort Abhilfe schaffe, um teuren Unterbrechungen der Geschäftsabläufe vorzubeugen. „Nicht von ungefähr kennen wir das deutsche Wort Kaputtsparen“, so Lehmann, „was unterm Strich nicht nur die aktuelle Bilanz schädigt, sondern höhere Kosten in der Zukunft verursacht.“

Als besonders kritisch bewertet der LBS die wachsende Zahl an Komplett-Unterbrechungen, die von der Ausnahme zur Regel geworden sind. „Der Fall Lüdenscheid steht mittlerweile als Synonym für Brückenbruchwerke, die wichtigste Verkehrsachsen von jetzt auf gleich lahmlegen“, so Lehmann. „Auch bei uns in Bayern gibt es Brücken, die das Ende ihres Lebenszyklus bald erreichen oder schon erreicht haben, Autobahnbrücken, die abgelastet werden müssen oder nur noch mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit befahren werden dürfen, oder Eisenbahnbrücken, die nur noch für Schleichfahrt taugen. Wenn über Monate hinweg nicht nur Umwege, sondern Staus und Verspätungen programmiert sind und Fahr- und Lieferzeiten völlig unkalkulierbar bleiben, hilft auch kein Krisenmanagement mehr“, warnt die LBS-Geschäftsführerin. „Solche Zustände rühren an die Zukunftsfähigkeit des Standorts.“ Nicht zuletzt konterkarieren die dadurch erforderlichen Umwege auch die Bemühungen um einen verbesserten Klimaschutz, etwa wenn wegen maroder Schleusen die umweltfreundlichen Transporte auf Binnenschiffen komplett entfallen.

Der LBS nimmt die Besorgnis erregende Situation zum Anlass, die Politik in Bund und Land an ihre Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit des Standorts Bayern und Deutschland zu erinnern. „Hier heißt es zügig und jenseits aller politischen Grabenkämpfe zum Wohl aller zu handeln. Es geht hier nicht nur um die Produktivität und die Wirtschaftlichkeit unserer Branchen – sondern es geht um alle und jeden, deren Lebensqualität von einer reibungsfreien und zuverlässigen Logistik im Lande abhängig ist. Hier zuverlässige und belastbare Verhältnisse herzustellen, ist gelebte Nachhaltigkeit“, betont Lehmann. „Denn es sind nicht Systeme, sondern Menschen, die darunter leiden, wenn die Politik auf der Schuldenbremse steht oder im ideologischen Stau steckt.“

Die gewaltigen Umwege, zu denen es kommt, wenn einsturzgefährdete Brücken von heute auf morgen gesperrt werden müssen, veranlassen die LBS-Geschäftsführerin zu Galgenhumor: „Wenigstens dienen die vielen Umwegkilometer einem „guten Zweck“, denn sie tragen im Idealfall dazu bei, einen Beitrag zur Sanierung der Strecken beizusteuern, die nicht genutzt werden können.“ In der Wirklichkeit allerdings dienten Mauteinnahmen nicht dazu, die Sanierung der Straßeninfrastruktur zu finanzieren, sondern – entgegen der Zweckbindung des ursprünglichen Mautgesetzes – um die desaströse Schieneninfrastruktur, die Digitalisierungsdefizite und weitere Löcher in der Infrastruktur zu flicken.

pdfLBS_PM_2024_06_27_Infrastruktur

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