(31.01.2022)
Ein Brief von Bayerns Ministerpräsident an das Bundesverkehrsministerium suggeriert, dass die Erhöhung der Lkw-Maut in Form einer Korridor-Maut zu einer deutlichen Entlastung der Brenner-Route beitragen könnte. Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V., und Sebastian Lechner, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Landesverbands Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) e.V. erläutern, warum diese Annahme nicht zu der gewünschten Lösung der bestehenden Probleme führt.
- Die Brennerroute ist eine der wichtigsten europäischen Verkehrsachsen für den Güter- und Personenverkehr und spielt für den bayerischen Handel mit Österreich und Italien sowie den Warenaustausch über die italienischen Seehäfen eine zentrale Rolle.
- Darüber hinaus sind südlich von München und im bayerischen Inntal zahlreiche exportorientierte Industrie-, Handels- und Logistikunternehmen angesiedelt, die auf einen reibungslosen und bezahlbaren Warenaustausch existentiell angewiesen sind.
- Dementsprechend sind Diskussionen über zusätzliche finanzielle Belastungen in diesem gesamten Bereich mit großer Sensibilität und Fingerspitzengefühl zu führen.
- Die Vorstellung, die Probleme in Zusammenhang mit dem alpenquerenden Güterverkehr auf der Brenner-Route über Mauterhöhungen zu lösen, führt in die Irre. Sie basiert auf der falschen Annahme, dass Speditions-/Logistikunternehmen – übrigens von beiden Seiten des Passes aus – diese Strecke allein der Kostenvorteile bei der Maut wegen nutzen. Allein schon die Tatsache, dass die immer wieder genannte Alternativroute durch die Schweiz führt, stellt ein großes Hindernis dar. Die Schweiz ist kein EU-Mitgliedsstaat. Demzufolge sind für Transitfahrten durch das Drittland Schweiz aufwendige Zollverfahren erforderlich, die bei einem rein innergemeinschaftlichen Transport (z. B. über den Brenner) nicht erforderlich sind.
- Die von Ministerpräsident Söder in den Raum gestellte LKW-Mauterhöhung von bis zu 50 Prozent für die Inntal- und Brennerroute muss deshalb zwingend in folgendem Zusammenhang betrachtet werden:
- Mautsätze können nicht frei festgesetzt werden, sondern unterliegen den Vorgaben der EU-Wegekostenrichtlinie. Auch Aufschläge z. B. für Umweltbelastungen können nicht in beliebiger Höhe erfolgen. Die Logistikunternehmen haben in den letzten 20 Jahren ständig in neue und umweltfreundliche Fuhrparks investiert. Auf der Brennerroute sind bereits jetzt fast ausschließlich LKW mit der umweltfreundlichsten Schadstoffklasse Euro VI unterwegs. Die von Ministerpräsident Söder angesprochene Mauterhöhung hat sich deshalb zwingend im Rahmen des europäischen Rechts zu halten. Die Diskussion über die Novellierung der EU-Wegekostenrichtlinie ist noch nicht zu Ende geführt, ihr darf folglich nicht vorgegriffen werden.
- Bereits im Dezember 2021 wurde ein Gutachten Tirols veröffentlicht, in dem die behaupteten Umwegverkehre über die Brennerroute untersucht werden. Dieses Gutachten muss von den anderen beteiligten Seiten erst noch analysiert werden, bevor weitere Schlüsse daraus gezogen werden können. Dies gilt vor allem bzgl. der Fragen, was genau als Umwegverkehre gezählt werden dürfen und wie hoch der Anteil der Fahrten an der Gesamtzahl tatsächlich Umwegverkehre sind?
- Von einer massiven Mauterhöhung wären nicht nur gefühlte oder tatsächliche Umwegverkehre betroffen, sondern auf die Wirtschaftsstandorte in der Inntal-Region. Diese würden einseitig und überproportional belastet werden, was unbedingt vermieden werden muss, wenn man diese Region nicht dauerhaft wirtschaftlich schwer beschädigen will.
- Ebenso darf eine Mauterhöhung nicht dazu führen, dass der Vor- und Nachlauf auf der Straße zur Rollenden Landstraße in Wörgl zusätzlich belastet wird.
- Wie Ministerpräsident Söder richtig anmerkt, sind die aktuellen Maßnahmen Tirols, nämlich die Blockabfertigung in Kufstein, das generelle LKW- Nachtfahrverbot auf der Inntal- und Brennerroute sowie das sektorale Fahrverbot für bestimmte Güter EU-rechtswidrig und müssen abgestellt werden, notfalls durch ein Vertragsverletzungsverfahren der EU.
- Die Diskussion über eine Mauterhöhung zum jetzigen Zeitpunkt und auf dieser Basis darf nicht einseitig geführt werden, ohne dass alle Maßnahmen Tirols, die den freien Warenverkehr auf dieser europäischen Hauptroute massiv beschränken, in eine Gesamtbetrachtung einbezogen werden.
- Die Ertüchtigung des Brenner-Nordzulaufes auf der Schiene hinkt deutlich hinter den ursprünglichen Zeitplänen her und ist deshalb zu beschleunigen, einschließlich der erforderlichen Aus- und Neubauten von Umschlaganlagen für den kombinierten Verkehr Schiene/Straße.
Hierbei darf die Maut-Diskussion nicht von den zunehmenden Tiroler Transit-Beschränkungen isoliert betrachtet werden.
„Aus Sicht der Branche muss für den Alpentransit über die Brenner-Route endlich eine Gesamtlösung inklusive eines belastbaren Fahrplans für die nächsten Jahre gefunden werden“, fordern LBS und LBT. Eine Verlagerung von mehr Güterverkehr auf die Schiene erfordert ausreichende Kapazitäten auf der Schiene. Der Aus- und Neubau muss mit Nachdruck vorangebracht werden, wird aber auch nicht „von heute auf morgen“ passieren können.