(03.09.2018) Die aktuellen Dokumenten-Prozesse und -Verfahren in der Luftfracht sind aus Sicht des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V. noch nicht zukunftstauglich. Ein zu hoher Anteil an Dokumenten auf Papier und eine zu schwache Vernetzung bestehender Systeme erzeugen Nachteile im internationalen Wettbewerb.
Der digitale Wandel gilt überwiegend als eine technisch zu lösende Frage. Anders als in der Spielebranche, deren „Games“ aktuell als potentielle Zukunftschancen für Deutschland apostrophiert wurden, behindern in der nicht minder zukunftsweisenden Luftfracht weltweit noch immer analoge Standards die Digitalisierung: „Während Playstations und Game-Tower längst ohne gedruckte Bedienungsanleitungen auskommen, haben ihre Begleitpapiere auf dem Flug von der Produktion in Asien zu den Abnehmern in Europa noch viel zu oft zum Teil biblischen Umfang“, kommentiert Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure diese widersprüchlichen Zustände.
Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Wirtschaftlich und unternehmensstrategisch gesehen erfolgt die Beschleunigung von Prozessen nicht nur dort, wo moderne, elektronische Werkzeuge Abläufe in den Unternehmen automatisieren und vereinfachen. Sie ist im Wesentlichen auch vom Umgang mit den Inhalten dieser Prozesse getragen. „Gerade auf diesem Feld aber klaffen in der Luftfracht immer größere Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, sagt Lehmann. „Während unsere Unternehmen auf der operativen Seite alle Anstrengungen unternehmen, um ihrer Kundschaft mit weiteren Optimierungen bei Zuverlässigkeit und Schnelligkeit entgegenzukommen, haben sie täglich mit Hindernissen zu kämpfen, die aus der Nicht-Digitalisierung von amtlichen Prozeduren entstehen.“
In vielen Fällen sind Papierunterlagen gefordert
Als Beispiel führt Ralph Biller, Vorsitzender im Fachausschuss Luftfracht beim LBS, die sogenannte Air Waybills (AWB) an, die obligatorischen Begleitpapiere in der Luftfracht. Bis heute sind hier in vielen Fällen noch immer Papierunterlagen gefordert. Oder die schon nutzbaren digitalen Frachtpapiere, so genannte Electronic Air Waybills (e-AWB), können nur auf einem Teil der Transportkette eingesetzt werden. „Sehr häufig stehen einer effizienten Digitalisierung Hindernisse entgegen, die außerhalb der Verantwortung und der Gestaltungsmöglichkeit der Logistik-Unternehmen liegen“, so Biller.
Marktriesen wollen eigene Standards durchsetzen
Gleichzeitig aber wächst der Druck auf den internationalen Märkten. Während die Papierdokumente für weitgehend kleinteilig strukturierte Dienstleistungsmärkte eine große Effizienz-Hürde darstellen, öffnen sich dadurch Möglichkeiten für internationale Marktriesen wie Alibaba oder Amazon gute Gelegenheiten, über ihre digitalen Plattformen eigene Standards zu setzen und den Markt zu dominieren. Diese Konkurrenz erzeugt Erwartungsdruck bei einer immer größeren Zahl von Kunden, insbesondere dann, wenn sie global agieren. Gleichwohl haben sich die Akteure auf dem deutschen und europäischen Markt sowie in zahlreichen Drittländern noch nicht auf eine gemeinsame, Standard-taugliche Lösung verständigen können. Da zur Lieferkette auch behördliche Teilnehmer wie der Zoll gehören, ist, so Lehmann, „nicht zuletzt die Regierung gefordert, ihrer neuen Priorisierung für den digitalen Wandel gerade auf dieser Ebene schnell Taten folgen zu lassen“.
Verschwendung von Ressourcen
Nicht zu schweigen von der mit analogen Prozessen verbundenen Verschwen-dung von Ressourcen – nicht nur beim Papier, sondern auch beim Energieverbrauch für dessen Transport. „Das mag im Einzelfall geringfügig und nebensäch-lich erscheinen,“ merkt Lehmann an. „Bei der großen Zahl an Transporten und über einen längeren Zeitraum hinweg kommen da beträchtliche Werte zusammen.“
Beispielhafte Innovationen weisen den Weg
Als beispielhaft für unternehmensübergreifende, zukunftsweisende Lösungen wie zum Beispiel der Dangerous Goods AutoCheck (DG AutoCheck), den die International Air Transport Association (IATA) gemeinsam mit Akteuren der Luftfrachtbranche entwickelt hat. Seine gegenwärtige analoge Form, der IATA DGR, umfasst rund 1.100 Seiten Papier mit mehr als 3.000 Einträgen für Gefahrgut. Damit gilt es in jedem Fall händisch zu prüfen, ob jede Versendererklärung den Vorschriften entspricht und ob jedes Versandstück richtig markiert, gekennzeichnet und verpackt ist. Mit einer elektronischen Übertragung und Prüfung ließen sich die Effizienz wie auch die Sicherheit des Prozesses deutlich verbessern – ein weiterer Schritt zur Digitalisierung der Lieferkette.
Einzellösungen bringen Digitalisierung nicht voran
„Viele Initiativen zur Digitalisierung gehen derzeit von großen Unternehmen oder Konzernen aus, die im eigenen Interesse eine Lösung schaffen, die ihren Interessen entspricht. Das ist wichtig, weil es zeigt: Digitalisierung ist machbar. Die Zukunftsfähigkeit der Luftfracht-Branche in Deutschland und Europa darf allerdings nicht von solchen Einzellösungen abhängen“, warnt LBS-Geschäftsführerin Lehmann. „Die eigentliche Aufgabe liegt in der durchgängigen, störungsfreien Vernetzung von Abläufen auf digitalem Weg. Hier ist die Politik gefordert, schnell und praxisorientiert die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Als Anschauungsbeispiel empfiehlt sie die Computer-Gamer: „Keiner von ihnen würde während eines Spiels für ein Level das Gerät und das Betriebssystem wechseln wollen. Anbieter mit solchen Methoden wären morgen aus dem Spiel.“LBS_BRENNPUNKT_Digitale_Luftfracht_September_2018.pdf