(19.02.2024)
Wie viele logistische Schritte braucht es, bis ein Laptop aus Vietnam in Ihrem Büro ankommt? Welche Folgen löst eine Online-Bestellung von T-Shirts in den globalen Lieferketten aus? Wie kommt eigentlich das Equipment fürs Adele-Konzert nach München? Und die Goji-Beeren für Ihr Frühstück in die heimische Küche? Fragen über Fragen, bei denen sich die Antworten mehrheitlich im „Irgendwo und Sowieso“ verorten lassen. Man hat wohl schon mal etwas gehört, aber mit Details will sich niemand befassen.
Der LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V. findet, dass das Thema „Güterverkehr und Logistik“ in die Lehrpläne aller bayerischen Schulen gehört – und schon in frühen Jahrgangsstufen präsent ist. Schließlich ist es auch im Leben der Teens präsent, ohne dass sie das wahrnehmen. „Wir stellen regelmäßig fest, dass es der Öffentlichkeit an grundlegendem Verständnis für die Aufgaben und die Leistung der Logistik fehlt. Jede und jeder verlässt sich darauf, dass Regale zuverlässig gefüllt, Werkstoffe in der Industrie angeliefert oder die eigenen Online-Bestellung zeitnah zur Haustür gebracht werden. Dagegen sind sich die wenigsten der vielen Zusammenhänge und Wechselwirkungen in Prozessen und Lieferketten bewusst, die nötig sind, um diese Aufgaben zu erfüllen“, erklärt Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS.
Sie plädiert dafür, Prozesse und Zusammenhänge schon in der klassischen Lernphase der Menschen -also frühzeitig in der Schule – transparent zu vermitteln. Ähnliches sei zum Beispiel beim Thema Trinkwasser oder Müllvermeidung schon gepflegte Übung in den Schulen. „Wenn unsere Arbeit hinter der Nebelwand des Nichtwissens oder des Nichtwissen-Wollens verborgen bleibt, führt das zu zwei Dingen: Erstens werden unsere Anliegen wie verfügbare und verlässliche Transportwege oder die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter:innen nicht wahrgenommen – oder am Ende gar torpediert, weil man sich zum Beispiel vom Lärm der Lkw und Züge belästigt fühlt. Zweitens mangelt es nachhaltig am Bewusstsein für Kosten und Wert unserer Dienstleistung, die für viele Kunden und Marktteilnehmer beliebig verhandelbar oder gar ignorierbar erscheinen.“
Als Weg, die tatsächlichen Verhältnisse und Zusammenhänge überhaupt sichtbar zu machen, sieht der LBS deren Integration in den Unterricht als gut geeignet an. „Wir haben gesehen, wie dies beim Umweltschutz gelungen ist, wir nehmen dies wahr, wenn jungen Menschen die Folgen von Urbanisierung vermittelt werden“, so Andreas Schebeler, Leiter der LBS-Akademie. „Als FCKW als Ursache fürs Ozonloch ausgemacht war, fand das Thema seinen Niederschlag im Chemie-Unterricht – und Kinder bewegten ihre Eltern zum Verzicht auf schädliche Haarsprays oder zur Investition in neue Kühlschränke“, nennt er ein bekanntes Beispiel.
Er führt eine Reihe praktischer Ansätze ins Feld:
- Warum kann heute nicht im Physikunterricht die Nutzung verschiedener Treibstoffe für Lkw, Güterzüge, Containerschiffe oder Frachtflugzeuge dargestellt und deren Nutzen berechnet werden?
- Ist es für Mathematik nicht eine reizvolle Aufgabe, die Auswirkungen einer Mauterhöhung auf die Preise im Ladenregal zu ermitteln und entsprechende Grenzwerte zu diskutieren?
- Warum macht man den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge nicht zum Gegenstand in Geographie, so, wie man in der Vergangenheit Industrieansiedlungen oder Kanalbauten betrachtet hat?
- Was hält Lehrkräfte im Fach Deutsch davon ab, in Aufsätzen oder Diskussionsrunden zu erörtern, wie sich der individuelle Wunsch nach unbegrenzten Online-Bestellmöglichkeiten und Billigpreisen mit der Lebens- und Umweltqualität für die Allgemeinheit vereinbaren lässt?
- Selbst in den Sportunterricht ließe sich statt Bodenturnen oder Staffelläufen die Zustellung von Päckchen und Paketen als praxis- und lebensnahe Übung integrieren.
Aus Sicht des Branchenverbands bieten sich vielfältige Ansatzpunkte aus der täglichen Arbeit heraus, die lehrens- und lernenswert sind. „Im großen Stückgut-Lager der Lehrpläne sollten dringend einige Paletten für dieses Thema reserviert werden. Damit werden die Logistik an sich sowie die vielen damit verbundenen Aufgaben transparent und verständlich“, argumentiert Lehmann. Als positive Nebeneffekte sieht sie sowohl ein breiteres Verständnis für die Bedeutung der Logistik in allen Lebenslagen, die bei öffentlichen Entscheidungen genauso zum Tragen kommen wie bei einem informierten Einstieg künftiger Fachkräfte in die Berufsorientierung. Ganz abgesehen von der Belebung des Unterrichts durch lebensnahe Inhalte.
„Mit Blick auf die Auszubildenden von morgen sehen wir klar den Nutzen, den ein frühzeitiges Verständnis für die Aufgaben der Logistik bringt. Der in der Vielfalt der Aufgaben in einer unendlich spannenden Branche sichtbar wird. Darum teilen unser Knowhow jederzeit und gern mit den Verantwortlichen im zuständigen Ministerium, in Lehrerverbänden und in den Schulen. Von einem besseren Verständnis für Warenströme, Güterverkehr und Logistik profitieren schließlich alle.“ Alternativ freut sich Lehmann auf einen Anruf von Günter Jauch: „Ich kenne ein paar Dutzend Fragen, deren Antwort ,Logistik‘ lautet.“