(14.06.2017)
Die Europäische Kommission hat am 31. Mai 2017 ihre Entwürfe für das lange angekündigte Gesetzespaket zur Änderung wichtiger Rahmenbedingungen für den Straßengüterverkehr in Europa („Mobility Package") vorgelegt und damit den Gesetzgebungsprozess eingeleitet.
Die Europäische Kommission hat ihre Beratungen mit den Mitgliedstaaten auf Arbeitsebene bereits begonnen. Zur zügigen Vorbereitung seiner Positionierung in Brüssel hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) den DSLV deshalb um seine erste Einschätzung bis zum 15. Juni 2017 und um eine vorläufige Stellungnahme bis zum 23. Juni 2017 zu den einzelnen Gesetzesvorhaben gebeten.
Das Mobilitätspaket setzt sich aus einer offiziellen Mitteilung sowie aus mehreren Entwürfen für neue bzw. zu ändernde EU-Verordnungen und -Richtlinien zusammen. Zusätzlich zu den Gesetzesvorschlägen hat die Kommission eine Vielzahl von Arbeitspapieren (Commission Staff Working Documents) mit Hintergrundinformationen zu Erwägungsgründen und Ergebnissen vorangegangener Konsultationen veröffentlicht. Entscheidend sind zunächst folgende Gesetzesvorhaben, die u. a. Änderungen des europäischen Ordnungsrahmens für Kabotagetransporte, für die Entsendung von Mitarbeitern (hier konkret die Unterwerfung von Kraftfahrern unter die Mindestlohnregime der jeweiligen Mitgliedstaaten), für die Lenk- und Ruhezeiten, für eine Vereinheitlichung von Mauterhebungssystemen und für die Ermittlung von Emissionen bei neuen schweren Nutzfahrzeugen vorsehen:
- Überarbeitung der VO (EG) Nr. 1071/2009 und VO (EG) Nr. 1072/2009 über Berufs- und Marktzugangsregeln im Güterkraftverkehrsgewerbe
- Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/1/EG über die Verwendung von ohne Fahrer gemieteten Fahrzeugen im Güterkraftverkehr
- Vorschlag für eine Richtlinie u. a. zur Änderung der Richtlinien 2006/22/EG, 96/71/EG und 2014/67/EU über Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßengüterverkehr – Lex Specialis zur EU-Entsende-Richtlinie – hierfür liegt die Ressortzuständigkeit beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
- Überarbeitung der Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EU) Nr. 165/2014 über Lenk- und Ruhezeiten sowie über die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern
- Überarbeitung der Eurovignetten-Richtlinie 1999/62/EG (derzeit nur in Englisch verfügbar)
- Neufassung der EETS-Richtlinie 2004/52/EG (nur in Englisch verfügbar)
- Vorschlag für eine neue Verordnung über die Überwachung und Meldung der CO2 - Emissionen und des Kraftstoffverbrauchs neuer schwerer Nutzfahrzeuge
Sämtliche o. g. Dokumente sowie alle Begleitdokumente und Studien sind zum Download auf der Homepage der EU-Kommission unter hinterlegt.
Beschreibung und erste Bewertung der einzelnen Vorhaben:
zu 1) Überarbeitung der VO (EG) Nr. 1071/2009 und VO (EG) Nr. 1072/2009 über Berufs- und Marktzugangsregeln im Güterkraftverkehrsgewerbe
Mit diesem Rechtsakt sollen bestehende Berufs- und Marktzugangsregeln auf leichte Nutzfahrzeuge ausgedehnt sowie Kabotagevorschriften geändert werden.
Es ist vorgesehen, dass Unternehmen, die ausschließlich Fahrzeuge bis 3,5 t zGG einsetzen, sich grundsätzlich am europäischen Kriterienkatalog für die Zulassung zum gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmer orientieren müssen und deshalb ebenfalls eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung sowie finanzielle Leistungsfähigkeit nachweisen müssen. Die Benennung eines Verkehrsleiters sowie fachliche Eignung und Anforderungen an die Zuverlässigkeit sollen allerdings nicht nachgewiesen werden müssen. Die Mitgliedstaaten sollen der EU-Kommission jährlich Daten über zugelassene Unternehmen, Zahl der Fahrzeuge, Anteile an den Gesamtzulassungen sowie Beförderungsleistungen liefern. Um sicherzustellen, dass in einem Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen dort auch tatsächlich und dauerhaft tätig sind und nicht als „Briefkasten-Unternehmen" agieren, bestimmt der VO-Entwurf weitere Anforderungen an die Niederlassung, wie tatsächliche Geschäfts- und Arbeitsverträge, eine angemessene Petrsonalstärke und tatsächliche Vermögenswerte.
Erste Einschätzung des DSLV: Der Einbezug der leichten Nutzfahrzeuge in die Berufszugangsregeln wäre ein erster Schritt, die Wettbewerbsbedingungen für alle Verkehrsunternehmer anzugleichen, um eine wettbewerblich unerwünschte Verlagerung vom geregelten in den ungeregelten Bereich zu vermeiden. Problematisch erscheint die Fokussierung auf Unternehmen, die ausschließlich Kleinfahrzeuge einsetzen. Eine Präzisierung der Niederlassungskriterien ist grundsätzlich zu begrüßen; Begriffe wie „angemessene Personalstärke“ lassen aber bereits Interpretationsspielraum zu.
Die heutige Kabotageregelung (drei innerstaatliche Beförderungen innerhalb von sieben Tagen im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung) soll zugunsten einer weiter gefassten Regelung, die im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung innerhalb von fünf Tagen eine unbegrenzte Zahl von Kabotagebeförderungen im Aufnahmemitgliedstaat oder in angrenzenden Mitgliedstaaten zulässt (Art. 8 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1072/2009), ersetzt werden. Für die einzelnen Kabotagebeförderungen sollen zukünftig keine Belege mehr vorgelegt werden müssen, lediglich der vorangegangene grenzüberschreitende Transport wäre zu dokumentieren (Art. 8 Abs. 3, 4a der VO (EG) Nr. 1072/2009). Gemäß den Erwägungsgründen Nr. 12 der Richtlinie 2006/22/EG über die Umsetzung der Sozialgesetzgebung sollen die nationalen Bestimmungen über Mindestlohn und bezahlten -jahresurlaub uneingeschränkt für sämtliche Kabotagebeförderungen gelten.
Ab 2020 sollen zwei Prozent, ab 2022 drei Prozent aller Kabotagebeförderungen in den Mitgliedstaaten kontrolliert werden, wobei auch die Benutzung von Dokumenten in elektronischem Format einschließlich des elektronischen Frachtbriefs zugelassen werden soll (Neu – Art. 10a der VO (EG) Nr. 1072/2009).
Es soll ein Grundsatz der „gemeinschaftlichen Haftung zur Verhütung von Missbräuchen durch Unternehmen, die Transportdienstleistungen vergeben“, eingeführt werden. Bei Verstößen sollen danach Sanktionen auch gegen Verlader und Spediteure verhängt werden können, wenn diese „wissentlich“ gegen die Bestimmungen verstoßen (Neu – Art. 14a der VO (EG) Nr. 1072/ 2009).
Erste Einschätzung des DSLV: Nach wie vor ist der Begriff der Kabotage sowie deren zeitlicher und räumlicher Beginn (bei Grenzübertritt oder bei vollständiger Entladung) nicht zufriedenstellend geklärt bzw. orientiert sich nicht ausreichend an praktischen Gegebenheiten. Eine weite Auslegung des Terminus „im Aufnahmemitgliedstaat oder in angrenzenden Mitgliedstaaten“ würde einer vollständigen Kabotagefreigabe gleichkommen, die allerdings durch die Verknüpfung mit den Anforderungen des Entsenderechts (siehe Anmerkung zu 3)) faktisch wieder eingeschränkt wird. Kritisch ist die Neuregelung der „gemeinschaftlichen Haftung“ zu werten. Denn dies ist ein wiederholter Versuch, staatliche Kontrollhoheit und -kompetenz auf den privaten Sektor zu verlagern, und zwar auch unabhängig davon, ob betroffene Spediteure und Verlader tatsächliche Kontrollmöglichkeiten gegenüber Dritten (hier: beauftragte Transportunternehmen) haben.
zu 2) Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/1/EG über die Verwendung von ohne Fahrer gemieteten Fahrzeugen im Güterkraftverkehr
Die derzeitige Richtlinie lässt den EU-Mitgliedstaaten Spielraum, die Verwendung von in einem anderen Mitgliedstaat gemieteten Fahrzeug zu untersagen. Hieraus ist ein Flickenteppich nationaler Beschränkungen entstanden. Denn dadurch müssen auch gemietete Fahrzeuge jeweils in anderen Mitgliedstaaten den nationalen Rechtsvorschriften hinsichtlich Zulassung etc. entsprechen. Geplant ist nunmehr, die Verwendung eines in einem anderen Mitgliedstaat gemieteten Fahrzeugs für mindestens vier Monate zu gestatten und die Beschränkungen hinsichtlich der Erfüllung nationaler Rechtsvorschriften aufzuheben, um insbesondere kurzfristige, saisonale oder vorübergehende Nachfragespitzen abzudecken oder defekte Fahrzeuge schnell und unkompliziert ersetzen zu können (Art. 2 und 3 der Richtlinie 2006/1/EG).
Erste Einschätzung des DSLV: Die hiermit verbundene größere Flexibilität wäre grundsätzlich zu begrüßen, sie erleichtert hingegen die gezielte Möglichkeit der Ausflaggung von Fahrzeugflotten in Länder mit niedrigen Kfz-Steuern, um sie von dort wieder anzumieten.
zu 3) Vorschlag für eine Richtlinie u. a. zur Änderung der Richtlinien 2006/22/EG, 96/71/EG und 2014/67/EU über Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßengüterverkehr (Lex Specialis zur EU-Entsende-Richtlinie)
Nach Auffassung der EU-Kommission werden die geltenden Entsendebestimmungen und Verwaltungsanforderungen der Logistik und ihrer mobilen Tätigkeit im internationalen Straßenverkehr nicht gerecht und verursachen zudem einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand für Unternehmen. Der DSLV sieht dies ebenso und hat bislang geltend gemacht, dass das EU-Entsenderecht auf Dienstleistungen der Verkehrsbranche nicht anwendbar ist. Dies verneint die Kommission mit ihrem Änderungsvorschlag aber, indem sie das Entsenderecht für mobile Dienstleistungen grundsätzlich öffnet und sektorspezifische Kriterien und Durchsetzungsmaßnahmen für die Entsendung von Arbeitnehmern im Straßengüterverkehr bestimmt. Gleichzeitig definiert sie Ausnahmen von diesem Grundsatz. Während Kabotageverkehre vollständig dem Regime des Entsenderechts unterworfen werden sollen, ist für grenzüberschreitende Verkehre vorgesehen, Arbeitnehmer zumindest für drei Tage pro Monat von den nationalen Mindestlohnbestimmungen des aufnehmenden Mitgliedstaates auszunehmen (Art. 2 der Richtlinie 2006/22/EG). Die Kommission will damit einen höheren Grad der Flexibilisierung für international tätige Unternehmen erreichen.
Erste Einschätzung des DSLV: Die Vorschläge der Kommission erfüllen zwar einen bestimmten Grad der Flexibilisierung, fraglich bleibt weiterhin, ob das EU-Entsenderecht als Hilfsinstrument zur Bekämpfung illegaler Praktiken und sozialer Missstände im internationalen Straßengüterverkehr in dieser Form modifiziert werden soll, anstatt die Dichte der Kontrollen bereits geltender Gesetze deutlich zu erhöhen. Denn es bleibt weiterhin grundsätzlich zu bezweifeln, dass Arbeitnehmer, deren Beruf die Erbringung mobiler und nicht stationärer Dienstleistungen ist, in dieser Form dem europäischen Entsenderecht unterworfen werden können. Mit ihrem Vorschlag, im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetztes Fahrpersonal für lediglich drei Tage pro Monat von Mindestlohnstandards des jeweils befahrenen Landes auszunehmen, verhindert die Kommission kaum den zu entflechtenden auf Bürokratie und unterschiedlichen Meldepflichten fußenden Mindestlohnflickenteppich in Europa. Sie schafft damit vielmehr ein unerwünschtes Präjudiz. Die Kommission muss in diesem Zusammenhang auch nachweisen, warum sie bei der Festlegung der vorgeschlagenen zeitlichen Befristung auf drei Tage, die von ihr in der Folgenabschätzung genannten Alternativen (fünf, sieben oder neun Tage) nicht als Maßstab für die Dauer der Ausnahmen von der Entsende-Richtlinie gewählt hat.
zu 4) Überarbeitung der Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EU) Nr. 165/2014 über Lenk- und Ruhezeiten sowie über die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern
Reihenfolge der Wochenruhezeiten und Ausgleichspflicht der Reduzierung – Nach geltendem Recht können Fahrzeugführer in zwei aufeinander folgenden Wochen jeweils eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden einlegen. Für den Ausgleich der Zeitverkürzung hat der Fahrer Zeit bis zum Ende der dritten Folgewoche. Der Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit ist an eine weitere Ruhezeit von mindestens neun Stunden anzuhängen, wahlweise an eine Tages- oder Wochenruhezeit. Die vorgeschlagene Neuregelung sieht demgegenüber vor, dass in jeweils vier aufeinander folgenden Wochen zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten von mindestens 45 Stunden und zwei reduzierte wöchentliche Ruhezeiten von mindestens 24 Stunden eingelegt werden können. Das Zeitfenster für den Ausgleich der Reduzierung bleibt wie bisher bis zum Ende der dritten Folgewoche. Der Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit soll zukünftig nur noch an eine regelmäßige Wochenruhezeit angehängt oder einer solchen vorangestellt werden können. Dadurch sollen Kraftfahrer ihre wöchentlichen Ruhezeiten innerhalb eines Zeitraums von vier aufeinander folgenden Wochen flexibler umsetzen können. Jeder Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit wäre mit einer regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit von mindestens 45 Stunden zu verbinden. Dadurch würde die Prüfung der als Ausgleich genommenen Ruhezeiten erleichtert. Fahrzeugführer sollen damit die Möglichkeit erhalten, eine aufsummierte wöchentliche Ruhezeit in Anspruch nehmen zu können.
Erste Einschätzung des DSLV: Die vorgeschlagene Neuregelung der Wochenruhezeiten gibt ein Zeitfenster von vier Wochen als Dispositionszeitraum vor. Gegenüber der geltenden Vorschrift soll die Vorgabe entfallen, dass reduzierte und regelmäßige Wochenruhezeiten im Wechsel genommen werden müssen. Dadurch würde es möglich, den Fahrer anstelle von heute zwei Wochen drei Wochen ununterbrochen einzusetzen und dreiwöchige Systemverkehre in ganz Europa durchführen zu können. Nach der Neuregelung wäre ein Nachholen der Reduzierung durch Anhängen an eine tägliche Ruhezeit nicht mehr möglich. Dadurch verlieren die Unternehmen/ Fahrer die Möglichkeit, Feiertage mit Fahrverboten als Ausgleichzeitraum zu nutzen. An diesen Tagen würden die Fahrer zukünftig regelmäßig länger als 11 Stunden pausieren, ohne die zusätzlichen Stunden als Ausgleichszeitraum nutzen zu können.
Regelmäßige Wochenruhezeiten außerhalb des Fahrzeugs und Kostenpflichtigkeit des Arbeitgebers – Geltendes europäisches Recht ¬(VO (EG) 561/2006) macht keine ausdrücklichen Vorgaben für den Ort, an dem eine regelmäßige Wochenruhezeit zu verbringen ist. Für nicht am Standort des Unternehmens eingelegte, tägliche und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten erlaubt die VO, dass diese im Fahrzeug verbracht werden dürfen. Nationale Regelungen – zuletzt im deutschen Fahrpersonalgesetz umgesetzt – schreiben für die regelmäßige Wochenruhezeit eine geeignete Unterkunft außerhalb des Fahrzeugs vor. Die EU-Kommission bestimmt in ihrem Regelungsvorschlag ebenfalls, dass die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten und jede wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich für die vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt wird, nicht in einem Fahrzeug verbracht werden dürfen. Sie müssen vielmehr in einer geeigneten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen verbracht werden – entweder vom Arbeitgeber bereitgestellt bzw. bezahlt oder am Wohnort oder in einer anderen vom Fahrer gewählten privaten Unterkunft.
Erste Einschätzung des DSLV: Gegenüber der aktuellen deutschen Rechtslage konkretisiert die Kommission, dass eine geeignete Unterkunft über sanitäre Einrichtungen verfügen muss. Neu wäre die Verpflichtung des Arbeitgebers, eine geeignete Unterkunft bereitzustellen bzw. zu bezahlen. Zur Frage, wie die Einhaltung der Vorgaben nachgewiesen bzw. kontrolliert werden soll, trifft der Vorschlag der Kommission keine Aussage.
Rückführungspflicht des Fahrers an den Wohnort spätestens alle drei Wochen – Vollständig neu wäre die Dispositionsvorgabe für die Unternehmen, die Arbeitszeit der Fahrer so zu planen, dass sie in der Lage sind, innerhalb jedes Zeitraums von drei aufeinander folgenden Wochen mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit am Wohnort zu verbringen.
Erste Einschätzung des DSLV: Unternehmen sollen Fahrzeuge und Fahrpersonal so disponieren, dass dieses seine „regelmäßige Wochenruhezeit“ am eigenen Wohnort verbringen kann. Eine ähnliche Regelung hatte es in einem früheren Entwurf zum deutschen Fahrpersonalgesetz über die regelmäßige Wochenruhezeit gegeben, sie wurde aber zurückgenommen, weil der Gesetzgeber keine Regelung darüber treffen kann, wo ein Arbeitnehmer seine Freizeit verbringt. Auch ergibt sich ein Widerspruch zu Artikel 4 lit. h) der VO (EG) 561/2006, wonach ein Fahrer während seiner wöchentlichen Ruhezeit frei über seine Zeit verfügen können muss. Ein solcher Lenkungsansatz zeigt zudem zu wenig Verständnis für die international verknüpfte Beschaffungslogistik von Industrie und Handel, die Dispositionsabläufe für Lieferverkehre bestimmt und hohe Anforderungen an die Einsatzflexibilität von Speditionen und Transportunternehmen stellt.
Erweiterung der Notstandsklausel zum Erreichen einer geeigneten Unterkunft für die Einlegung der Ruhezeit – Nach geltendem Recht darf der Fahrzeugführer zu Zwecken der Sicherheit für Personen, Fahrzeug oder Ladung von den Lenk- und Ruhezeiten abweichen, um einen geeigneten Halteplatz zu erreichen, wenn ein unvorhersehbares Ereignis für diese Abweichung ursächlich ist. Nach den Vorstellungen der Kommission soll diese Notstandsklausel auch dann gelten, wenn dies erforderlich ist, um eine Ruhezeit in einer geeigneten Unterkunft einlegen zu können. Die Kommission möchte dem Fahrer damit Gelegenheit geben, trotz unvorhersehbarer Ereignisse die wöchentliche Ruhezeit an seinem Heimatort zu verbringen.
Erste Einschätzung des DSLV: Eine ähnliche Problematik besteht bei überfüllten Rastplätzen. Insofern ist die vorgesehene Flexibilisierung der Ruhezeiten grundsätzlich zu begrüßen. Gleichwohl stellt sich auch hier die Frage der Kontrollierbarkeit.
Änderungen VO (EU) 165/2014 (Fahrtenschreiber-Verordnung) – Der „intelligente“ Fahrtenschreiber soll mit Hilfe der GPS-Funktion den genauen Standort eines Fahrzeugs, das für grenzüberschreitende Beförderungen eingesetzt wird, bestimmen. Bisher ist das nur für die Zeitpunkte zu Arbeitsbeginn, Arbeitsende sowie alle drei Stunden Lenkzeit vorgesehen. Dies wird die Durchsetzung der Sozialvorschriften erleichtern.
Erste Einschätzung des DSLV: Diese Vorgabe ist im technischen Anhang 1 C zur VO (EU) Nr. 165/2014 bisher nicht enthalten. Analog zur Ortsbestimmung der deutschen Mauterfassung müsste ein Abgleich mit einer im Gerät hinterlegten Karte erfolgen. Ob alternativ eine kürzere Taktung der Ortsbestimmung möglich wäre, ist unter Datenschutzgesichtspunkten fraglich. Außerdem könnte es in diesem Fall Speicherkomplikationen aufgrund der Datenmengen geben.
Gemäß Artikel 34 des Vorschlags zur Änderung der VO (EU) Nr. 165/2014 sollen Kraftfahrer verpflichtet werden, bei Erreichen des „ersten geeigneten Halteplatzes“ nach einer Grenzüberschreitung den Standort ihres Fahrzeugs in einem Fahrtenschreiber aufzuzeichnen. Auf diese Weise soll die Überwachung der Einhaltung der Sozialvorschriften erleichtert werden. Diese Verpflichtung soll nicht für Fahrzeuge mit „intelligenten“ Fahrtenschreibern gelten, die eine Grenzüberschreitung automatisch aufzeichnen.
Erste Einschätzung des DSLV: Die Vorgabe kann zu Verzögerungen und Staus an „geeigneten Halteplätzen“ und im weiteren Verlauf zu einer Einschränkung der Lenk- und Ruhezeiten führen. Offen bleibt die Frage, wie lange nach Grenzüberschreitung gefahren werden darf, bis ein geeigneter Halteplatz gefunden ist. Die Nachrüstpflicht mit „intelligenten“ Fahrtenschreibern wird erst ab 2034 verpflichtend. Es kann davon ausgegangen werden, dass vor dem Einführungsdatum des intelligenten Tachographen (15. Juni 2019) – ähnlich wie zum Zeitpunkt der Einführung der digitalen Tachographen am 1. Mai 2006 – eine große Anzahl von Fahrzeugen neu zugelassen wird, um nicht unter die neuen Ausrüstungspflichten zu fallen.
zu 5) Überarbeitung der Eurovignetten-Richtlinie 1999/62/EG und zu 6) Neufassung der EETS-Richtlinie (2004/52/EG)
Mit ihrem Vorschlag zur Überarbeitung der Eurovignetten-Richtlinie will die Kommission in den Mitgliedstaaten bestehende zeitabhängige Mautsysteme nach einer Übergangszeit (bis 2023 für schwere Nutzfahrzeuge und bis 2027 für alle anderen Fahrzeuge) durch entfernungsabhängige Mautsysteme für alle Fahrzeuge ersetzen. Die Einbeziehung von Staugebühren in die externen Kosten für sämtliche Nutzer ist danach auf allen Straßen möglich (Neu – Art. 7da der Richtlinie 1999/62/EG).
Erste Einschätzung des DSLV: Der DSLV befürwortet den mit der Neufassung der EETS-Richtlinie verfolgten Ansatz, unterschiedliche Mauterfassungssysteme in der EU interoperabel zu gestalten. Entscheidend wird sein, dass eine Maut entfernungs- und emissionsabhängig bleibt und Mauteinnahmen für Erhalt und Ausbau von Straßen zweckgebunden verwendet werden. Eine zusätzliche Mautkomponente für Staus wäre abzulehnen, da für Verkehrsnutzer bereits Verzögerungs- und zusätzliche Energiekosten zu Buche schlagen.
zu 7) Vorschlag für eine neue Verordnung über die Überwachung und Meldung der CO2 - Emissionen und des Kraftstoffverbrauchs neuer schwerer Nutzfahrzeuge
Bereits im April 2017 hat die EU-Kommission eine neue Verordnung über die Bestimmung von CO2-Emissionen und Kraftstoffverbrauch für neue schwere Nutzfahrzeuge (die sogenannte Zertifizierungsverordnung) im Rahmen der bestehenden Typgenehmigungsvorschriften vorgeschlagen. Danach soll für jedes neue schwere Nutzfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt und in der EU in den Verkehr gebracht wird, eine Simulation der CO2-Emissionen und des Kraftstoffverbrauchs mithilfe des Programms VECTO (Vehicle Energy Consumption Calculation Tool) vorgeschrieben werden.
Erste Einschätzung des DSLV: Von den Vorschlägen sind vor allem die Fahrzeughersteller betroffen. Auf die Speditions- und Logistikbranche haben die geplanten Änderungen keine unmittelbaren Auswirkungen.
Die Herausforderung für die Organe der EU wird jetzt darin bestehen, die Prinzipien der Wettbewerbs-, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit des Binnenmarktes mit sozialen und Umweltinteressen in Einklang zu bringen. Dem DSLV muss es für seine Stellungnahme gelingen, die unterschiedlichen Sichtweisen seiner heterogenen Mitgliedschaft, die auch als unterschiedliche Akteure am Markt auftreten, in einer Kernaussage gegenüber der Politik zu bündeln.
Auf den durch Fristsetzung des BMVI entstandenen Zeitdruck wurde bereits hingewiesen. Insofern sollten Kommentare zum EU- Mobility Package bitte möglichst bis spätestens 21. Juni 2017, 12:00 Uhr, per E-Mail an eingehen, damit diese noch in die vorläufige Stellungnahme des DSLV einfließen können.
Über den Fortgang des Verfahrens werden wir fortlaufend informieren.
Überarbeitung der Eurovignetten-Richtlinie 1999/62/EG 1
Überarbeitung der Eurovignetten-Richtlinie 1999/62/EG 2
Neufassung der EETS-Richtlinie 2004/52/EG 339.64 KB
Neufassung der EETS-Richtlinie 2004/52/EG
Quelle: DSLV