(03.07.2024)

LBS, LBT und IHK fordern belastbares Konzept für absehbare Einschränkungen bei der Nutzung der Brennerautobahn.

Was passiert, wenn zum 01.01.2025 die dringend erforderlichen Renovierungsarbeiten an der Luegbrücke auf der österreichischen A13 Richtung Brenner beginnen? Die bayerische Speditions-, Transport- und Logistikbranche ist derzeit ratlos, wie sie sich auf eine solche Situation vorbereiten und sie dann auch meistern soll. „Ein halbes Jahr vor Beginn der Baumaßnahmen, während der die Kapazitäten der Strecke dramatisch eingeschränkt sind, gibt es keine wirklich pragmatischen, grenzüberschreitenden und verlässlichen Lösungen für den absehbaren Dauerstau“, stellt Sabine Lehmann fest, Geschäftsführerin des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V.

Engpass hat massive Auswirkungen

„Eine der europäischen Hauptverbindungen zwischen Nord und Süd, Teil des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V), langfristig nur einspurig befahrbar: Unsere Mitgliedsunternehmen können in diesem Fall keine Lösungen aus ihrem über Jahre gesammelten Erfahrungswissen ableiten. Eine vergleichbare Situation hat es hier noch nicht gegeben.“ Andernorts, so Lehmann, wird indes schon sichtbar, wie massiv die Folgen solcher Engpässe sind: „Wir haben aber in den letzten Jahren gesehen und erleben es jeden Tag, welche Auswirkungen solche Einschränkungen auf den Verkehr haben: sieben Jahre Sperrung der Leverkusener Brücke (A1) für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen oder die seit Dezember 2021 andauernde Vollsperrung der A45 bei Lüdenscheid, weil die Rahmede-Brücke nur noch gesprengt werden konnte und nun neugebaut werden muss.“

Es sei eine Ansammlung negativer Faktoren, die sich zu einem „katastrophalen Szenario“ addiert, ergänzt Stephan Doppelhammer, Hauptgeschäftsführer beim Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) e.V. „Da ist zum einen die Dauer der Maßnahme. Die Arbeiten werden sich nicht über Wochen und Monate, sondern über Jahre* hinziehen. Ohne dass, zum anderen, belastbare Ausweichrouten zur Verfügung stehen.“ Sowohl die Strecke über die Tauern als auch über die Schweiz seien ebenfalls am Rande der Kapazität. „Das Gleiche gilt für Frankreich.“ Auch auf diesen Strecken gibt es Bau- und Sanierungsmaßnahmen – nicht nur geplante. „Hier darf nichts unvorhergesehenes mehr passieren.“

Bahn bietet keine belastbare Alternative

Der Warentransport per Bahn fällt als belastbare, zuverlässige Ersatzlösung ebenfalls aus. „Angebote wie die Rollende Landstraße verfügen insgesamt nur über geringfügige Kapazitäten, gemessen am Transportvolumen auf dieser Route. Gleiches gilt für den aktuellen Stand im unbegleiteten kombinierten Verkehr“, so Lehmann und Doppelhammer über Beobachtungen und Rückmeldungen aus Mitgliedsunternehmen. „Wer diesen Weg nutzen kann, der nutzt ihn schon jetzt.“

Georg Dettendorfer, Unternehmer und Vorsitzender im Verkehrsausschuss der IHK München und Oberbayern, sieht angesichts dieser Ausgangslage und der erwarteten Einschränkungen auf der Luegbrücke „innerhalb unserer betrieblichen Möglichkeiten kaum einen Ansatzpunkt, wie wir Verkehre über den Brenner zuverlässig disponieren und durchführen können“. Dies gelte für alle Unternehmen der Branche –diesseits und jenseits des Alpenpasses. „Alle Erfahrungswerte, mit denen wir arbeiten könnten, sind angesichts der Bedeutung der Route wertlos.“ Was im Übrigen auch für Betriebe in Italien und Österreich selbst gelte – ganz zu schweigen von Speditions- und Transportunternehmen aus Benelux, Skandinavien oder dem Baltikum, die im Wirtschaftsverkehr zwischen Südeuropa und Zentraleuropa unterwegs sind.

Nachhaltige und kreative Antwort gefordert

Beide Branchenverbände stellen die Renovierungsmaßnahmen selbst nicht in Frage. „Die Brenner- und Inntalautobahn sind nun seit über 50 Jahren in Betrieb. Sie wurde ausgelegt und konstruiert für Verkehre, die weder im Volumen noch im Gewicht an das heranreichen, was heute auf dieser Strecke unterwegs ist,“ so Doppelhammer. „Es ist eine Frage der Sicherheit und Belastbarkeit von Infrastruktur, für die ein Betreiber wie die Asfinag einstehen und eine nachhaltige Antwort liefern muss. Diese muss in jedem Fall kreativer ausfallen als eine reine Sperrung“, fügt Lehmann hinzu. „Da können und wollen wir als Nutzer und im Namen unserer Mitarbeitenden und Kunden keine Kompromisse akzeptieren.“ Vor diesem Hintergrund gilt das praktizierte Prinzip „Blockabfertigung“ als doppelt kritisch, weil es das Problem nicht löst, sondern nur verschiebt – und damit verschlimmert. Dettendorfer: „Das belastet natürlich dann umso mehr die regionale Wirtschaft im bayrischen Inntal sowie das über- und untergeordnete Verkehrsnetz dazu.“

Slot-System existiert noch nicht

Da auch Optionen wie das von der Politik ins Spiel gebrachte und propagierte Slot-System für die Route wegen nötiger Verträge und dem aufwendigen Aufbau einer technischen Infrastruktur weder kurz- noch mittelfristig für Abhilfe sorgen können, braucht es aus Sicht von LBS und LBT dringend und zeitnah eine ideologiefreie Verständigung darüber, wie vorhandene Hürden für die Dauer der Arbeiten beseitigt werden können. „Wir sehen da vor allem das Nachtfahrverbot, das angesichts der Lkw mit modernsten, geräusch- und emissionsarmen Antrieben aufgehoben werden könnte“, sagen Lehmann und Doppelhammer. „Mit z. B. niedrigen Tempolimits ließe sich eine für alle Betroffenen vertretbare Lösung herbeiführen.“

Dies sei vor allem deshalb überlegenswert, weil sich die Gütertransporte den Weg über den Brenner mit einem schon seit Längerem massiv gewachsenen Individualverkehr teilen müssen – in beide Richtungen. Wenn die Infrastruktur die bisherigen Belastungen physisch und kapazitativ nicht mehr aushalte, müsse man die Zeitfenster betrachten, in denen die Autobahn-Brücke genutzt werden kann. „Die Kapazitäten um die Hälfte runterzufahren, ohne über eine Erweiterung der Nutzungszeiten zu sprechen, heißt nicht nur einen ohnehin vorhandenen Flaschenhals noch weiter zu verengen, sondern ihn faktisch mit einem Stopfen zu verschließen“, bewerten die Branchenvertreter die Perspektiven.

Alpenquerender Warenverkehr vor Zerreißprobe

Aus Sicht der IHK München und Oberbayern stellen die stark verringerten Kapazitäten auf der wichtigen Achse zwischen den Märkten auf beiden Seiten der Alpen den Warenverkehr vor eine Zerreißprobe. „Die eng miteinander verbundenen Volkswirtschaften der Anrainerländer könnten sicher eine kurzfristige Belastung verkraften“, so Verkehrsausschuss-Vorsitzender Dettendorfer. „Für die seitens der Asfinag anvisierte Dauer von mindestens fünf Jahren bis zur Wiederinbetriebnahme der Brücke ist ein Fahren auf Sicht eindeutig zu lang.“ In diesem Fall drohen derzeit noch nicht bezifferbare wirtschaftliche Schäden für Bayern, das mit einem Handelsvolumen von 28 Mrd. Euro viertgrößter Handelspartner Italiens ist, bei Lebensmitteln sogar die Nummer eins.

Die drei Organisationen sind sich einig: Ohne kreative Überlegungen und eine Kompromissbereitschaft von allen wird es zu einem „Superstau“ in den nächsten Jahren kommen, mit nicht absehbaren Folgen für die wirtschaftliche Lebensader Logistik – aber auch für die Anrainer. „Wer das nicht glaubt, sollte mal nach Lüdenscheid fahren…“

 pdfPM_LBS_LBT_IHK_Luegbrücke_Juni_2024

* Nach Angaben der Asfinag sind bis zu 3 Jahre Einspurigkeit zu erwarten, die komplette Wiederinbetriebnahme ist „aus heutiger Sicht“ für 2030 geplant.

Adresse

LBS - Landesverband Bayerischer
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Georg-Brauchle-Ring 91
80992 München

Tel. 089 30 90 707 0
Fax 089 30 90 707 77

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